ABER IN EINEM ZIMMER GEHT DIE SONNE AUF 

Als sie im Dunkeln nichts sehen konnte, warst du ihr Führer, als sie vor Liebe blind war, warst du derjenige, der ihre Hand fest hielt und ihr den Weg zeigte; als sie durstig war, warst du derjenige, der ihren Durst löschte, als sie Angst hatte, warst du derjenige, der sie tröstete.

Sie fürchtet sich vor einem leeren Blatt Papier, während sie versucht, dir einen Brief zu schreiben und die richtigen Worte zu finden. Und wenn Kinder aus einem Akt der Liebe entstehen, war es dieser Moment, der ihr Leben überwältigte. Und wenn Kinder aus einer unbewussten, unachtsamen Handlung entstehen, war es dieser starke Nervenkitzel, der ihr Leben, veränderte. Und wenn Kinder aus einem Akt der Selbstsucht entstehen, war es diese Ablenkung, die ihr das Gefühl gab, unvollständig und missverstanden zu sein. Und wenn Kinder aus einem Akt der Leidenschaft entstehen, war es in diesem Moment, in dem sie dir nicht mehr widerstehen konnte. Denn ohne dich ist es eine bittere Qual.

Aber in einem Zimmer geht die Sonne auf.

Halte einen Moment inne, atme tief durch, lauf nicht vor deinen Erinnerungen davon, die noch immer wie die Augusthitze auf deiner Haut brennt, auch wenn es schmerzt, in die Vergangenheit zurückzukehren. Und es ist die Gegenwart, in der wir dem Kummer nachgeben. Und wenn die Kinder erwachsen sind, wird der Geschmack einer verpassten Wahrheit bleiben: die Gewissheit, sie nicht genug geliebt und geschätzt zu haben.

Aber in einem Zimmer geht die Sonne auf.

Und wäre die Welt ein Karussell, würde sie mit dir auf dem verpassten Zug mitfahren wollen, um die an ihr vorbeifahrende Landschaften zu betrachten; wäre die Welt eine Wendeltreppe, die zum Himmel führt, würde sie mit dir hinaufsteigen wollen, um nach den Sternen zu greifen. Und wäre die Welt noch unentdeckt, würde sie mit dir neue Länder erforschen und erobern. Doch alles, was bleibt, ist der fehlende Mut und der unbändige Stolz, dir nicht sagen zu können, wie sehr sie dich liebt. Denn Liebe ist nicht blind, Liebe ist weder Hunger noch Durst, Liebe ist Licht, ein ewiges Gefühl, das niemals verblasst, solange ein Herz schlägt.

Zartes, rosarotes Blümchen, warum lächelst du dem Leben nicht zu? Was vermisst du? Vielleicht jene rauen, rissigen Hände, die einst dein makelloses, noch so verträumtes Gesicht zärtlich berührten. Doch ein Windstoß genügte, um deinen Halm abzubrechen und deine Träume fortzureissen.

Du würdest diese rosafarbene Blume gern auf eine silberne Leinwand malen, um ihr wieder ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern, aber du kannst keinen Pinsel handhaben. Du würdest gern ein schönes Lied über diese bezaubernde Blume singen, um sie aufzumuntern, aber du bringst kein Ton heraus. Du würdest gern diese lebhafte und leidenschaftliche Blume aus deinem trickvollen Hut hervorzaubern, um es ihr zwischen ihren duftenden Haaren zu befestigen, aber du kannst nicht mit einem Zauberstab umgehen. So stehst du nur da und betrachtest sie wortlos, und aus der Asche wird ein neuer Tag erstehen.

Und in diesem Moment wird sie atmen ohne Eile, sprechen ohne Angst, gehen ohne Flucht, lieben, wie sie noch nie zuvor jemanden geliebt hat. Und aus dem Staub der Strassen wird langsam jener Boden, aus dem Hoffnung Wurzeln schlägt. Und in der Ferne hört sie ein Lachen, vielleicht ihr eigenes, das sie ruft, aus einer Zeit, die erst noch kommt.

Und irgendwo, im unscheinbarsten Winkel dieser Welt, geht in einem Zimmer die Sonne auf. R.R.



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